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Der Post wird vorgeworfen, dass sie Barauszahlung in der Höhe von CHF 4’600’000 vornahm, ohne die Herkunft und die Verwendung geprüft zu haben. Sie habe trotz Kenntnis der entsprechenden Risiken nicht alle zumutbaren Handlungen vorgenommen, um eine Geldwäschereihandlung zu verhindern. Das damals gültige Reglement sah bei Bargeldbezügen ab einem Betrag von CHF 100’000 das Ausfüllen eines Formulars sowie weitere zu treffende Abklärungen vor. Mangelnde Einschränkungen und Bedingungen bei Bargeldbezügen in beliebiger Höhe haben dazu geführt, dass ein Mitarbeiter der Compliance-Abteilung die Barauszahlung freigegeben hat.
Anlasstat
Die A. AG hat eine Bewilligung als Finanzintermediär (Banken, Fonds, Versicherungen etc…). Die Organe der A. AG waren B. und C.
Auf das Postkonto der A. AG wurden zwei Banküberweisungen von der Bank D. SA, Luxemburg, in der Höhe von EUR 5’000’000 überwiesen. Grundlage der Überweisung war die arglistige Vortäuschung eines gewinnbringenden Anlagegeschäfts; der Betrag stammte von einem Verbrechen her.
B. (Einziger Verwaltungsrat der A. AG) hob vom Postkonto des Unternehmens den Betrag von CHF 4’600’000 ab und begründete die Abhebung mit dem Kauf eines Edelsteins. Den Beträgt händigte er der C. (Direktorin der A. AG), aus.
Mit dem Geld reiste C. nach Rom und händigte das Geld einer unbekannten Person aus. Das Geld ist seither unauffindbar.
B. und C. wurden wegen dieser Tat des gewerbsmässigen Betruges (Art. 146 Abs. 2 StGB), der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (Art. 138 Abs. 2 StGB) und der mehrfachen Geldwäscherei (Art. 305bis Abs. 1 StGB) verurteilt.
Strafbarkeit von Unternehmen (Art. 102 StGB)
Im Kern geht es darum, Unternehmen zu rechtsgutrespektierendem Verhalten zu bewegen. Der Sinn und Zweck der Bestrafung liegt in der Abschreckung, Resozialisierung, Aufrechterhaltung des Normvertrauens und der Vergeltung von Unternehmen.
Dem schweizerischen Strafrecht liegt das Schuldprinzip zugrunde, sie ist eine unabdingbare Voraussetzung der Strafbarkeit: Die Rechtsregel «nulla peona sine culpa» (=Keine Strafe ohne Schuld) besagt, dass niemand für eine Tat bestraft werden kann, wenn ihn keine Schuld trifft. Die begangene Tat wird dem Täter folglich als individuelle Verfehlung vorgeworfen. Damit wird ein nachvollziehbarer Sanktionsmass ermöglicht, die Strafe wird berechenbar und angemessen begrenzt, den Vergeltungsbedürfnissen der Gesellschaft wird Rechnung getragen und die Verurteilten vor willkürlicher Rache geschützt.
Wie kann einem Unternehmen eine Tat vorgeworfen werden? Ein Unternehmen kann niemanden töten, verletzen oder eine Person mit einer Waffe bedrohen. Hierfür wird das Schuldprinzip umgedeutet und der Vorwurf erfährt einen Wandel von der individuellen Verfehlung hin zur mangelhaften Organisation. Grund dafür ist, dass (eventuell sogar bewusst und böswillig herbeigeführte) Mängel in der Organisation die Ermittlung von strafrechtlichen verantwortlichen Personen erschweren. Anderseits soll verhindert werden, dass Angehörige des Unternehmens bestraft werden, die sich in der unteren Hierarchiestufen befinden und nicht die tatsächlich Verantwortlichen der höheren Führungsebene zur Rechenschaft gezogen werden können, woran das Unternehmen eine (strafrechtlich relevante) Mitschuld trägt.
Zweigfliedriger Aufbau der Unternehmenshaftung
Nach Art. 102 Abs. 1 StGB (Subsidiäre Strafbarkeit) kann das Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden (und wird mit einer Busse bis zu CHF 5’000’000 bestraft!), wenn in Ausübung der geschäftlichen Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszweckes ein Verbrechen oder Vergehen (Anlasstat) begangen wird die aufgrund von Organisationsmängel keiner Person zugeordnet werden kann. Beispielsweise wenn ein Kurier eines Transportunternehmens mit Bereicherungsabsichten ein Paket öffnet und das Unternehmen nicht in der Lage ist, herauszufinden, welcher seiner Angestellter das Delikt begangen hat. Oder wenn ein Mitarbeiter für einen Einsatz mit dem Firmenfahrzeug unterwegs ist und dabei eine Geschwindigkeitsübertretung begeht und das Unternehmen nicht nachvollziehen kann, wer das Fahrzeug gelenkt hat.
Nach Art. 102 Abs. 2 StGB (originäre Unternehmenshaftung) wird das Unternehmen bestraft, wenn es nicht alle erforderlichen oder zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um die Begehung eines der folgenden Delikte durch eine dem Unternehmen zuzurechnende Person, zu verhindern:
Art. 260ter Kriminelle Organisation
Art. 260quinquies Finanzierung des Terrorismus
Art. 305bis Geldwäscherei
Art. 322ter Bestechung schweizerischer Amtsträger
Art. 322quinquies Bestechung schweizerischer Amtsträger. / Vorteilsgewährung
Art. 322septies Bestechung fremder Amtsträger
Art. 322octies Bestechung Privater
Am Anfang wurde der Sachverhalt der Anlasstat geschildert, die zu einer Verurteilung der mehrfachen Geldwäscherei geführt hat. Damit jedoch das Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden kann, muss eine dem Unternehmen angehörige Person in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen das Delikt begangen (oder die Begehung ermöglicht) haben.
Im Gegensatz zur subsidiären Strafbarkeit genügt es als Beweis indes bei der originären Unternehmenshaftung für sich allein noch nicht, dass eine Straftat begangen wurde. Es müssen konkreten Organisationsmassnahmen erforderlich gewesen sein und tatsächlich nicht bestanden haben.
Den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt, wer Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln und weiss oder annehmen muss, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren.
In Objektiver Hinsicht erfüllt die Kassiererin und der Compliance-Officer der Post AG den Tatbestand der Geldwäscherei: Sie haben dafür gesorgt, dass Vermögenswerte, die aus einem Verbrechen stammen, ausbezahlt werden, und haben dadurch dazu beigetragen, dass die Papierspur der Vermögenswerte unterbrochen wurde. (Objektiver Tatbestand der Geldwäscherei ist somit erfüllt)
In subjektiver Hinsicht konnte der Nachweis jedoch nicht erbracht werden, dass die Beteiligten wussten oder hätte annehmen müssen, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen stammen und auch, dass sie vorsätzlich die Einziehung der Vermögenswerte vereiteln wollten. Die Kassiererin hat sich vor der Auszahlung bei der richtigen Stellen rückversichert, ob die Auszahlung vorgenommen werden dürfe: Aus ihrer Sicht unternahm sie alles Nötige, um sicherzustellen, dass keine Vorschriften oder Weisungen verletzt wurden. Es ist implizit anzunehmen, dass die Staatsanwaltschaft nicht von der Strafbarkeit der Mitarbeiter der Compliance-Abteilung ausging, da gegen diese kein Strafverfahren eröffnet wurde.
Zusammenfassung
Der wegweisende Entscheid des Bundesgerichts setzt die Grenzen für das Unternehmensstrafrecht fest. Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens für Geldwäscherei (Art. 102 Abs. 2 i.V.m Art. 305bis StGB) genügt es nicht, dass der objektive Tatbestand vorliegt. Die Anlasstat, die zur Haftung führt, muss sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand erfüllen. Demnach muss bei der Geldwäscherei das Vereiteln der Herkunftsermittlung von Vermögenswerten, die aus einem Verbrechen oder Vergehen stammen, vorliegen, und die Personen müssen auch wissen oder zumindest annehmen, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen stammen. Wenn der Nachweis nicht gelingt, dass die beschuldigten Personen über die Mittelherkunft wussten, liegt auch keine Strafbarkeit vor.
